Polizeinotruf in dringenden Fällen: 110

Menü

Inhalt

Wissen
Studien zum Thema Kinderpornografie
Hier finden Sie Kurzzusammenfassungen einiger Studien.
LKA NRW
1. Kinderpornografie-Besitzer: Trends bei Täter- und Fallmerkmalen (2011)

Diese Studie beschreibt „Trends“ bei Fällen von Kinderpornografiebesitz in den USA. Ausgewertet wurden ausschließlich Fälle aus den Jahren 2000 und 2006, bei denen Personen im Besitz von Kinderpornografie waren und hierfür verhaftet wurden (im Jahr 2000: 1 713 Verhaftungen; im Jahr 2006: 3 672 Verhaftungen)

  • Im Vergleich der zwei Erhebungsjahre blieben viele Merkmale der Täter und Straftaten stabil.
  • Die meisten Täter dabei waren männlich und weiß, nicht hispanischer Herkunft und mit unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen.
  • Nur wenige waren (auf Grund von Sexualverbrechen) polizeilich bekannt.
  • Im Jahr 2006 war ein höherer Anteil der Straftäter im Alter von 18 bis 25 Jahre, nutzte Tauschbörsen (Filesharing über dezentrale Peer-to-Peer-Netzwerkserver), war im Besitz von Bildmaterial von Kindern (< 3 Jahre) und hatte kinderpornografische Videos.
  • P2P-Netzwerkbenutzer hatten im Schnitt extremere Bilder (z. B. jüngere Opfer, sexuelle Gewalt) und eine größere Anzahl von Bildern als diejenigen, die keine P2P-Netzwerke nutzten. Außerdem wird bei Nutzung einer Tauschbörse das heruntergeladene Material gleichzeitig vom betreffenden Nutzer zum weiteren Download angeboten, was dazu führt, dass sich Material extrem schnell verbreitet.
  • Der Besitz und Konsum von Kindesmissbrauchsabbildungen geht nicht immer zwangsläufig mit einem sexuellen Motiv/Interesse an Kindern einher, andersherum sind Personen mit einem sexuellen Interesse an Kindern oftmals im Besitz von Kindesmissbrauchsabbildungen.
  • Die Rate von Kindesmissbrauchsfällen ist seit Mitte der 90er Jahre gesunken (Daten aus Opferbefragungen, Strafjustiz, Opferschutzorganisationen etc.), dem steht eine erhöhte Verfügbarkeit und ein vereinfachter Zugang von Kindesmissbrauchsabbildungen durch das Internet gegenüber. Korrelationen hierzu sind noch nicht genauer erforscht, jedoch werden mehr Kindesmissbrauchsstraftaten fotografiert/gefilmt und in Umlauf gebracht.

Daher ist davon auszugehen, dass bei vielen Fällen von (online) Kindesmissbrauchsabbildungen, insbesondere bei jüngeren Opfern, diese nichtstrafrechtlich verfolgt und in Datenbanken erfasst wurden.

Quelle: Wolak, J., Finkelhor, D., & Mitchell, K. (2011). Child pornography possessors: Trends in offender and case characteristics. Sexual Abuse, 23 (1), 22-42.

 

2. Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet (2011)

Diese Studie untersucht, wie viel und welche Art kinderpornografischen Materials wirklich in Umlauf ist. Die Untersuchung basiert auf der Analyse staatsanwaltschaftlicher Akten mit insgesamt 1 712 kinderpornografischen Bildern oder Screenshots aus Filmen. Alle kinderpornografischen Abbildungen wurden anhand der sogenannten Copine-Skala (Combating Paedophile Information Networks in Europe) zunächst kategorisiert, um einen Überblick der Schwere des Missbrauchs zu erhalten (Stufe 1-3: strafrechtlich nicht relevant, Stufe 4-6 „Posing Material“, Stufe 7-10 „echte“ Kinderpornografie)

  • Bei knapp 35 % des analysierten Materials handelte es sich um Bilder der Stufe neun („Schwerer Übergriff“), bei etwa 26 % um Bilder der Stufe sechs („Detailliertes erotisches Posing“) und bei knapp 12 % um Material der Stufe sieben („Sexuelle Handlungen eines Kindes“).
  • Das Opferverhältnis zwischen Jungen und Mädchen bei Kinderpornografie ist etwa 50:50 (Daten aus Gesprächen mit Ermittlungsbeamten).
  • Besonders schwierig war das Einschätzen des Alters der betroffenen Kinder. Insgesamt konnten 1 276 Mädchen und Jungen hinsichtlich ihres Alters eingeschätzt werden.

Größter Anteil der Opfer in der Altersgruppe der 9- bis 13-Jährigen (insgesamt 77 Prozent)

Zweitgrößter Anteil in der Altersgruppe der 4- bis 8-Jährigen (insgesamt 20,5 Prozent)

Weiter zugenommen hat die Anzahl von jüngeren Opfern im Alter von wenigen Monaten bis drei Jahren (insgesamt 2 Prozent)

Quelle: Meier, B. D. & Hüneke, A. (2011). Forschungsbericht „Herstellung und Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet“. Kriminalwissenschaftliches Institut der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Hannover

 

3. Kinderpornografie, Internet und jugendliche Verdächtige

Ein Beispiel für ein wiederkehrendes Problem im Rechtssystem ist die Verfolgung junger Straftäter. Im Mittelpunkt dieses Artikels stehen jugendliche Tatverdächtige im Kontext von Kinderpornografie. Hierbei werden zwei Bereiche diskutiert: die Art der Verbrechen und die Eigenschaften von Verdächtigen. Analysiert wurden hierfür 159 niederländische Polizeiakten im Bereich der Kinderpornografie.

  • Fast ein Viertel der Verdächtigen ist unter 24 Jahre alt. 35 Prozent dieser Gruppe ist jünger als 18 Jahre.
  • Hierbei fertigten häufig Jugendliche sexualisierte Bilder von sich an und/oder Videos von sich unter-/miteinander. Wenn dieses Material „freiwillig“ über das Internet verbreitet wird, wird es eine Angelegenheit für Strafverfolgungsbehörden.
  • Verdächtige kommen aus allen Bevölkerungsgruppen und unterscheiden sich in Ausbildung, Beruf, Ehe, Status, Alter (von Minderjährigen bis zu älteren Menschen) und sexuellem Interesse.
  • Seto, Reeves und Jung (2010) berichten, dass die meisten Täter angeben, dass sie versehentlich zum ersten Mal mit Kinderpornografie in Kontakt kamen und sie dann anschließend neugierig und erregt waren.

Art der Verbrechen:

  • Die meisten Tatverdächtigen handeln alleine/unabhängig und sind somit kein Teil von organisierter Kriminalität (93,6 Prozent).
  • In 56,6 Prozent der Fälle standen die Tatverdächtigen in keiner Verbindung zu anderen Straftaten.
  • In 39,1 Prozent der Fälle wurden Verbindungen zu Offline-Kriminalität gefunden:
    • Besitz von Kinderpornografie (z. B. DVDs und gedrucktes Material) (34,1 Prozent)
    • Produktion von Kinderpornografie (5,0 Prozent)
  • In Fällen, in denen Identitätsmissbrauch eine Rolle spielte, hatten die Verdächtigen eine falsche Identität geschaffen, um Kinderopfer dazu zu bringen, sexuelle Bilder oder Videos von sich zu machen.

Eigenschaften von Verdächtigen:

  • Von den 167 auswertbaren Akten, waren 164 Tatverdächtige männlich und drei weiblich.
  • Die meisten Täter waren zwischen 18 und 54 Jahre alt (Altersspanne insgesamt 14 bis 83 Jahre).

Prozentverteilung von Alter und Geschlecht ist mit anderen Sexualstraftaten in den Niederlanden vergleichbar, Prins, 2008

Quelle: Leukfeldt, E. R., Jansen, J., & Stol, W. P. (2014). Child pornography, the Internet and juvenile suspects. Journal of Social Welfare and Family Law, 36 (1), 3-13.

Seto, M. C., Reeves, L., & Jung, S. (2010). Explanations given by child pornography offenders for their crimes. Journal of sexual aggression, 16 (2), 169-180.

 

4. Das Internet – ein Milliardenmarkt für Kinderpornografie?

Als 2009 das Zugangssperrengesetz in Kraft trat, rechtfertigte die Bundesregierung dieses Vorgehen damit, dass im World Wide Web zahlreiche Quellen für die Beschaffung von Kinderpornografie existieren würden. Mit dem Zugangssperrengesetz sollten daher bekannte Internetadressen dieser Quellen durch den Eintrag in eine Liste gesperrt werden. Angesichts der Mengen, die in den Tauschbörsen verbreitet werden, ist der Erwerb von Kinderpornografie im World Wide Web gegen Entgelt eher sinnlos.

  • Während die Verbreitungswege durch peer-to-peer-Netzwerke, Usernets oder über das World Wide Web weitgehend einfach zu ermitteln sind, gibt es bei anderen Verbreitungswegen erhebliche Probleme für die Ermittlungsbehörden.
  • Bei geschlossenen Benutzergruppen, die sich auch im World Wide Web realisieren lassen, wird der Zugriff nur dadurch möglich, dass der Interessierte vorab eine bestimmte Leistung erbringen muss. Und diese Hürde ist hoch. Wie aus den Berichten der Strafverfolgungsbehörden bekannt wurde, handelt es sich in der Regel seinerseits um neue Kinderpornografie, die als Eintrittsleistung erbracht werden muss.

Quelle: Hüneke, A. (2012). Das Internet – ein Milliardenmarkt für Kinderpornografie? Abgerufen von https://www.uni-hannover.de/fileadmin/luh/content/alumni/alumnicampus/AC_8_2012/i34-36__hueneke.pdf

 

5. Komplexe Erfahrungen von Kinderpornografie-Überlebenden (2018)

Diese Studie erforscht die komplexen Erfahrungen von Überlebenden der Kinderpornografie-Produktion. Teilnehmer des online Surveys waren 133 volljährige Personen, die in der Kindheit Opfer von Kinderpornografie geworden sind.

  • Fast die Hälfte der Befragten gab an, dass die Produktion/Anfertigung sexueller Bilder spezifische Probleme verursacht hat, die sich von den Auswirkungen der Missbrauchserfahrungen unterschied.
  • Ebenfalls die Hälfte der Stichprobe gab an, dauerhaft darunter zu leiden, dass Konsumenten der Kinderpornografie glauben würden, sie hätten freiwillig teilgenommen. Außerdem sind die Betroffenen häufig besorgt, dass Konsumenten sie erkennen würden.
  • Ein Drittel der Teilnehmer weigerte sich, über die Bilder zu sprechen.
  • 22 Prozent der Teilnehmer bestritten, dass diese Bilder existieren.

Die qualitative Analyse identifizierte drei Kernthemen, die aus den Aussagen der Überlebenden (aus ihrer jetzigen Perspektive als Erwachsene) hervorgingen:

  • Schuld und Scham
  • Anhaltende Verletzbarkeit (Vulnerabilität)

Quelle: Gewirtz-Meydan, A., Walsh, W., Wolak, J., & Finkelhor, D. (2018). The complex experience of child pornography survivors. Child abuse & neglect, 80, 238-248.

 

6. Sexueller Missbrauch eines Kindes

Nach kriminologischer Einschätzung (z. B. G. Kaiser) handelt es sich in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern bei 60 bis 80 Prozent der Täter um Bekannte oder gar Verwandte des kindlichen Opfers. In etwa der Hälfte der Fälle nehmen die Opfer die Tat passiv hin, in 10 bis 15 Prozent der Fälle beteiligen sie sich (altersabhängig) aktiv daran oder haben sie sogar initiiert.

Quelle: Hagen, K. R., Olek, K. & Dickgieser, N. (2000). Sexueller Missbrauch eines Kindes. Kriminalistik, 54 (4), 240-242.

 

7. Sexuelle Missbraucher: Täter im Spektrum der Normalität

Entgegen allen Vorurteilen und Wünschen nach Eingrenzung der Täterschaft an sexuellem Missbrauch auf eine spezifische Gruppe devianter Männer kommt die Forschung über diese Gruppe von Straftätern übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es keine einheitliche Täterpersönlichkeit gibt.

  • Personen, die sexuellen Missbrauch begehen, entstammen weder spezieller sozialer Herkunft noch fallen sie psychisch oder in ihrem Sozialverhalten in einer Weise auf, die sie deutlich erkennbar von anderen Männern unterscheiden würde (vgl. Herman, 1990; Bange, 1993; Jungjohann, 1993; Russel, 1984; Brockhaus & Kolshorn, 1993; Finkelhor, 1990).
  • Sie kommen aus allen sozialen Schichten, verhalten sich überwiegend eher unauffällig-angepasst, sind verheiratet, ledig oder leben in Beziehungen usw.
  • Diese Angepasstheit ist der wirksamste Schutz vor Entdeckung und führt immer wieder zu stereotypen Reaktionen von Nachbarn und Bekannten, die die vermeintliche Unschuld der Täter beschwören wollen.

Quelle: Heiliger, A. (1996). Sexuelle Missbraucher: Täter im Spektrum der Normalität. Psychologie und Gesellschaftskritik, 20 (1/2), 29-42.

 

8. Der Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Als Grundlage dienen hierzu neben Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik die Ergebnisse zweier empirischer Studien.

Wolak, J., Finkelhor, D. & Mitchell, K. (2005). Child pornography possessors arrested for Internet related crimes: A national study (No. 0605023). Report prepared for the National Center for Missing & Exploited Children. Alexandria, VA.

Endrass, J., Urbaniok, F., Hammermeister, L. C., Benz, C., Elbert, T., Laubacher, A. & Rossegger, A. (2009). Kinderpornografie-Konsum im Internet und Gewalt- und Sexualdelikte. BMC Psychiatry, 9, 1–7.

  • Die überwiegend männlichen Täter (95 Prozent) sind zwischen 30 und 50 Jahre alt.
  • Der Anteil der Nichtdeutschen Täter liegt bei 3 bis 5 Prozent auf einem niedrigen Niveau.
  • 30 Prozent der Täter sind verheiratet oder in einer partnerschaftlichen Beziehung, haben eigene Kinder oder leben mit Kindern zusammen.
  • Fast die Hälfte der Täter konnte einen mittleren bis höheren Bildungsabschluss vorweisen und etwa 60 Prozent der Täter sind berufstätig.
  • In einer der beiden Studien waren zudem 87 Prozent der festgestellten Täter bisher noch nicht wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern straffällig in Erscheinung getreten.
  • Sie wiesen zudem keine sexuellen Funktionsstörungen auf.
  • Etwa 15 Prozent gaben an Drogen- oder Alkoholprobleme zu haben.

Diese Ergebnisse zeigen, dass für den Konsum von Kinderpornografie der Entwurf eines einheitlichen Täterprofils nur schwer zu erstellen ist

Quelle: Laumer, M. (2012). Der Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern – Eine Übersicht zum aktuellen Forschungsstand. Kriminalistik, 3/2012, 139-144.

 

9. Das Internet – Grundlagenwissen für die Polizei

Der Missbrauch der Opfer läuft in der Regel über einen längeren Zeitraum ab. Es sind nur wenige Fälle bekannt, bei denen Opfer von professionellen Pornoproduzenten im öffentlichen Raum abgefangen werden. Einen Überblick über die Täter und ihr Vorgehen im Bereich des Kindesmissbrauchs und der Kinderpornografie bietet folgende Übersicht:

  • Der überwiegende Teil der Opfer kennt die Täter bereits vor dem sexuellen Missbrauch.
  • Mädchen werden zu etwa einem Drittel von Tätern aus der Familie missbraucht.
  • Männliche Opfer werden meist von Bezugspersonen aus dem außerfamiliären Nahraum und von Fremden sexuell ausgebeutet.
  • Ein Drittel der Täter sind selbst noch im Kindes- und Jugendalter.
  • Einzelne Täter missbrauchen viele Kinder.
  • Zwei Drittel der Täter, die innerhalb der Familie missbrauchen, haben auch Opfer außerhalb der Familie.
  • Die Täter kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten.
  • Häufig besteht eine berufliche (oder ehrenamtliche) Nähe zu Kindern.
  • Teilweise erfolgt eine gezielte Kontaktaufnahme zu alleinerziehenden Müttern.
  • Täter bezahlen Opfer, um weitere Opfer zum Täter zu bringen („Schlepper“).

Quelle: Siegert, M. (2002). Das Internet – Grundlagenwissen für die Polizei.

Weiterführender Link http://www.mikado-studie.de/tl_files/mikado/upload/MiKADO_Zusammenfassung.pdf

weitere Informationen

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110